Schon in meiner Jugendzeit war der Alkohol in meinem Leben präsent. Mit 14 Jahren war ich jüngstes Mitglied im örtlichen Musikverein und Alkohol war ein Getränk, wie jedes andere auch.
Auch im familiären Umfeld war Alkohol nie ein Thema das zu Diskussionen Anlass gab. So war der Alkohol eigentlich immer mein Begleiter und wir «zwei» hatten ein sehr gutes Verhältnis. Ja, wir hatten uns aneinander gewöhnt, wir mochten uns.
Mit all den Jahren aber merkte ich dann, dass das Verhältnis nicht mehr so gut war. Unsere Beziehung bekam erste Risse. Im Jahre 2007 musste ich mir eingestehen, dass ich einem regelmäßigen schweren Alkoholmissbrauch unterliege. Nach jahrelangen, erfolglosen Versuchen, weniger Alkohol zu trinken, entschloss ich mich therapeutische Hilfe zu holen. Meine Motivation und Erkenntnis dafür: «Ich war Alkoholiker». So begann ich bei der Stiftung Sucht Wallis eine Alkohol-Therapie. Der Erfolg der Therapie war katastrophal, nach 10 Jahren Therapie hatte ich das Stadium «schwerer Alkoholiker» erreicht. Ich war im wahrsten Sinne des Wortes, voll in der Alkoholszene angekommen. Aufgrund des Misserfolges bei Sucht Wallis machte mich auf die Suche nach neuen Therapieformen und wurde im Internet fündig. Im Leitbild des Anton-Proksch-Institut in Wien las ich folgendes Zitat: «Sucht ist eine Krankheit mit vielen Ursachen und lässt sich nicht auf einen auslösenden Faktor reduzieren. Sucht ist eine gut zu behandelnde Erkrankung». (API – Wien). Im Herbst 2018 absolvierte ich zusammen mit angehenden Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern als einziger Alkoholiker den Lehrgang zum Suchtberater beim Anton-Proksch-Institut in Wien. Ein Jahrspäter war ich vermeintlich von der Alkoholsucht geheilt, litt aber weiterhinunter einer narzisstischen Persönlichkeits-Störung, die Auslöser für noch weitere vier massivste Rückfälle waren. Im Juni2020 machte ich eine Schematherapie in der Oberberger Fachklinik in Berlin-Brandenburg. Eine sehr intensive Analyse meiner Jugend half mir, meine Persönlichkeitsstörung abzulegen. Seit dem 19. März 2021 hatte ich keinen Rückfall mehr und meine Erfahrung und mein Wissen geben mir Gewissheit, dass ich keinen Rückfall mehr haben werde. In all den Jahren haben meine Frau und ich uns ein riesiges Wissen zur Alkoholsuchtangeeignet. Ich sage mir oft: «Wenn ich das damals gewusst hätte, unser brutaler, teilweise hoffnungsloser und verdammt steiniger Leidensweg wäre niemals so lange und hart gewesen».
Zurück ins Jahr 2002. Diagnose: «sehr bösartiger Tumor im Kopf». Die Prognose zu einer Heilung war 50:50. Alle Freunde, Bekannte und Kollegen hatten riesiges Mitleid mit mir. Alle wollten helfen, unterstützen, für einen da sein. Diese fürsorgliche Erfahrung habe ich als Alkoholiker nie gemacht. Zwei heilbare Krankheiten – zwei verschiedene Verständnisformen. Von daher ist es mir ein sehr grosses Bedürfnis, mehr Verständnis für die Alkoholsucht in der Gesellschaft zu schaffen. Zudem möchte ich meine Erfahrungen und mein Wissen an Betroffene der Alkoholsucht weitergeben.
Sehr grosse Wertschätzung empfinde ich für meine Frau, die mit mir zusammen den Weg durch die Hölle (über 40 Rückfälle mit kaltem Entzug zuhause) gegangen ist.